abschiebepolitik: its time to act – now!

dies ist ein blogeintrag vom 30.4.2010, der auf widerstand-im-fekterland.at erschienen ist. ich will aus aktuellem anlass auch hier publizieren:

der gestrige donnerstag ist wieder ein kleiner meilenstein im dringend notwendigen widerstand gegen die unmenschliche asylpolitik in unserem land. in einer beispiellosen zugriffsaktion während des trainings des “fc sans papiers” wurden wieder einmal in völlig unakzeptabler weise menschen brutal verhaftet, um sie unverzüglich – noch am selben tag – in ein abschubflugzeug zu setzen.

eine detailierte übersicht findet ihr auf
FMO – freies medium ottensheim

dass dieser plan (zumindest vorerst) vereitelt wurde, ist der raschen und mutigen aktion von ca. 250 demonstrantInnen zu danken, die ein schubhaft-fahrzeug in wien hernals aufgehalten haben. die aktion war zwar nur kurzfristig erfolgreich, es wurde aber dann eine spontane demo daraus, an der sich später insgesamt ca. 500 menschen beteiligten.

das ist ein meilenstein: auch wenn die schubhäftlinge weiterhin inhaftiert sind, auch wenn über 40 aktivistInnen verhaftet wurden, das zeichen ist klar: wir akzeptieren es nicht, dass menschen, die bereits seit jahren friedlich in unserem land leben, einem permanenten psychoterror ausgesetzt werden.

in röthis kamen die abschiebepolizistinnen bei nacht, in wien auf dem fussballfeld. niemand der von abschiebung bedrohten menschen kann auch nur eine minute angstfrei sein: ob im schlaf, bei tag, bei nacht, bei freundInnen oder in der öffentlichkeit – immer geht die angst mit. das ist psychoterror.

in einem der tweets, über die sich die aktistInnen informieren konnten, war zu lesen “its time to act – now!”. tatsächlich ist es höchste zeit, dass wir auf die strasse gehen, um gegen diese unmenschliche asylpolitik und abschiebepraktiken vorzugehen. lange genug mussten wir zusehen, wie die stimmung in unserem land immer ausländerfeindlicher und rassistischer wird.

dank der zahlreichen aktivistInnen gestern in wien ist einmal mehr klar geworden, wie antifaschistische praxis heute funktioniert: spontan, rasch, vernetzt und flexibel.

wir müssen der kalten brutalität einer asylpolitik, die psychoterror und todesgefahren für die abgeschobenen in den zielländern einfach in kauf nimmt, antrepressive buntheit und vielfalt entgegensetzen: das ist den aktistInnen von gestern gelungen.

wie üblich werden wieder einige mit verfahren wegen widerstand gegen die staatsgewalt und weiteren “vergehen” verfahren angehängt bekommen. wie mit dem protest gegen die asylpolitk umgegangen wird, kennen wir u.a. auch von den vorgängen in salzburg.

wo recht zu unrecht wird, wird widerstand zur pflicht.
kein mensch ist illegal.

mit solidarischen grüssen nach wien!
immer mehr WIDERSTAND im FEKTERLAND!


warum ich heute auf die strasse gegangen bin

bei der heutigen WIDERSTAND im FEKTERLAND kundgebung habe ich folgendes statement verlesen:

„widerstand im fekterland“ fordert umkehr

zwei junge menschen, die wegen ihres protestes heute vor gericht stehen werden –
nicht unbedingt grund genug, um auf die strasse zu gehen

mehr als 10 weitere aktivistInnen, die wegen ihres protestes verwaltungsstrafen erhalten –
nicht unbedingt grund genug, um auf die strasse zu gehen

ich denke an marcus omafuma aus nigeria
der vor 11 jahren während der abschiebung in
einem flugzeug erstickte
die polizisten blieben im dienst

sein tod steht für viele andere
von denen wir niemals erfahren
wie brutal sie abgeschoben werden
unter welchen bedingungen und ob sie am zielort
überleben

ich denke an cheibani wague aus mauretanien
starb 2003 an einer rechtswidrigen amtshandlung
in wien
die fixierung mit vollem körpergewicht war tödlich
ein verstoss gegen das folterverbot gemäss der
menschenrechtskonvention

sein tod steht für viele andere
von denen wir niemals erfahren
wie brutal sie verhaftet werden
bei welchen amtshandlungen sie in lebensgefahr
schweben

ich denke an yankuba ceesay aus gambia
der 2005 im alter von 18 jahren die schubhaft in
linz nicht überlebte
dass die schubhaft als rechtswidrig erkannt wurde
gab ihm das leben nicht zurück

sein tod steht für viele andere
von denen wir niemals erfahren
wenn sie richtswidrig in haft genommen werden
in eine haft, von der wir nicht wissen, wie
lebensgefährlich sie sein kann

ich denke an die hochschwangere elisaveta d. aus tschetschenien
die im flüchtlingslager bad kreuzen im sommer
2007 innerlich verblutete
ihre drei kinder 7,8 und 10 jahre alt – hatten hilfe
geholt
doch der arzt weigerte sich, sie mitzunehmen
sie simuliere und lüge, nur um nicht abgeschoben
zu werden
die frau und ihr ungeborenes kind sterben
auf der viel zu späten fahrt ins krankenhaus
der tod der beiden steht für viele andere
von denen wir niemals erfahren
wieviel hilfe unterlassen wird
welche medizinische und lebensnotwendige
versorgung verweigert wird

ich denke an gagendeep s. aus punjab, indien
vergangenen herbst im wiener polizeigefängnis zu
tode gekommen
ob er überhaupt einmal verstanden hat, warum er in
haft war, ist ungewiss

sein tod steht für viele andere
von denen wir niemals erfahren
ob sie die richtigen dolmetscherInnen zugewiesen
bekommen haben
ob sie wirklich verstehen wie ihnen in unseren
gefängnissen geschieht

ein mitglied des menschenrechtsbeirates, georg bürstmayr sagt:
„österreichs schubhaft ist nicht anhaltung, sie ist kerker“

jugendliche und kleinkinder in schubhaft
psychisch kranke und schwersttraumatisierte ohne behandlung in schubhaft
und dann noch die
die als asylwerberInnen in unserem land zwar nicht in
schubhaft sitzen
aber schlecht behandelt werden
von einem gnadenlosen system der ablehnung und hartherzigkeit
terrorisiert werden

arigona zogaj und ihre familie
steht als bekannter name
auf einer langen liste vieler uns nicht bekannter namen
deren anzahl wir nicht kennen

familie durmisi lebt in röthis
deren abschiebung in den kosovo konnte nur im
letzten moment
durch engagierte bürgerInnen und eine couragierten
bürgermeister
einstweilen verhindert werden
das innenministerium hat allerdings
noch nicht aufgegeben

jovan mirilo
der beweisvideos vom srebrenica massaker für das
den haager tribunal herausschmuggelte
träger des bruno-kreisky-menschenrechtspreises
soll mit seiner 8jährigen tochter
in das für ihn extrem lebensgefährliche serbien
abgeschoben werden

fekterland hat eine grosse dunkelziffer der unmenschlichkeit
innenministerin fekter
entschärft diese zustände nicht
sie verschärft täglich die situation
kritik von amnesty international und
menschenrechtsorganisationen
von diakonie und caritas
prallt an ihr ab
wie sonst nur in diktatorischen systemen

für waffenlobbyisten, anlagebetrüger und nicht
ganz zufällige krisengewinnler
gilt immer und überall die unschuldsvermutung
für asylwerberInnen, migrantInnen und deren
familien gilt im fekterland
eine kriminalitätsvermutung

das sind die gründe, warum ich hier auf der strasse stehe

es gibt in unserem land jene, für die gesetze keine
gültigkeit zu haben scheinen
oder für die im ausland irgendwelche konzerne
plötzlich unsummen auf den richtertisch legen,
damit es nur ja nicht zu einem prozess kommt
und es gibt jene, für die die menschenrechte
niemals gelten,
weil sie anders aussehen, unsere sprache nicht
sprechen, anders glauben, aber deren schuld es
ist, hier gelandet zu sein

das sind die gründe, warum ich hier auf der strasse stehe

dass der braunblaue mief in unserer stadt, in
unserem land
nicht nur nie ganz weg war, sondern
immer mehr versucht, sich auszubreiten, ist
widerlich
das ausmass, mit dem kellernazis aus den löchern
kriechen und
selbst vor dem höchsten amt nicht zurückscheuen,
würde heute selbst thomas bernhard noch die
sprache verschlagen

das sind die gründe, warum ich hier auf der strasse stehe

dass innenministerin fekter asylwerberInnen
inhaftieren will
und sie damit von anfang an wie schwerverbrecher
behandelt
dass sie menschenrechte offensichtlich nur für
wenige menschen
aber niemals für alle gelten lassen will

das sind die gründe, warum ich hier auf der strasse stehe

und hier schliesst sich der kreis nun doch:

am 14.1. sind einige menschen vor dem wifi
gestanden, weil sie lautstark und deutlich gegen
genau diese menschenverachtende politik der
innenministerin protestieren wollten
der unverhältnismässig brutale polizeieinsatz wird
von zeugInnen folgendermassen geschildert:
„zuerst dachte ich es gibt eine geiselnahme oder
eine bombendrohung, da über 10 polizeiautos und
– busse mit unzähligen beamten vor ort waren.“

2 asylpolitk-kritiker wurden brutal verhaftet,
sie mussten von do bis sa im gefängnis
verbringenviele aktivistInnen erhielten
verwaltungsstrafen

fazit:
in unserem land wird der politische protest kriminalisiert

wir stehen daher heute auf der strasse, um fragen zu stellen:

· ist – auch lautstark artikulierter – protest
gegen die unmenschliche asylpolitik in
unserem lande möglich, ohne dass die
aktivistInnen mittels verhaftung, einer
flut von klagen, anschlussforderungen
und verwaltungsstrafen wie kriminelle
behandelt werden?

· hat die polizei die aufgabe, das
demonstrationsrecht den politischen
akteurInnen zu sichern und zu gewähren,
oder muss sie politisch andersdenkenden
im auftrag der innenministerin fekter das
demonstrationsrecht verwehren?
auch wenn sich innenministerin fekter sehr beeilte und
jene polizisten, die an der brutalen verhaftung vor
dem wifi in salzburg beteiligt waren, bereits 10 tage
später für ihren „teamgeist“ auszeichnete, hoffen die
beiden nun auf ein faires verfahren

mehr als 1200 auf facebook, hunderte per homepage,
dutzende per telefon – seit einer woche erreichen
uns zahllose anrufe,
die meisten sind bestürzt,
wie weit es mit der meinungsfreiheit und dem recht
auf widerstand gegen eine unmenschliche politik
gekommen ist

es ist schon lange kein regionales thema mehr,
es geht auch nicht um einzelne personen,
es geht um die grundsatzfrage,
ob politischer protest in unserem land noch möglich
ist,
ohne dafür kriminalisiert zu werden
wir dürfen uns auch nicht ablenken lassen:
die verhaftungen vom jänner sind zwar unerfreulich,
aber nur ein nebenschauplatz: im mittelpunkt steht
der umgang der politik mit asylwerberInnen und
migrantInnen

wer praktisch bei jedem satz über
asylwerberInnen sofort querverbindungen zu
sozialbetrug und kriminalität herstellt,
wer menschen in existenzieller not zur
bedrohung für unsere gesellschaft macht, schürt
ein feuer, das niemals wieder brennen darf!
unser land muss umkehren!

aus fekterland muss österreich werden.
aus erstaufnahmezentren mit haftbedingungen
sollen willkommenzentren werden.
KEIN MENSCH IST ILLEGAL.

asyl-erstaufnahmezentrum?

es hat diskussionen ausgelöst, als ich auf facebook der gruppe „Für ein Asyl-Erstaufnahmezentrum in meiner Umgebung!“ beigetreten bin.

es hat diskussionen ausgelöst, als ich auf facebook der gruppe „Für ein Asyl-Erstaufnahmezentrum in meiner Umgebung!“ beigetreten bin. der titel hat manche vermuten lassen, dass ich mich indirekt mit einem teil der repressiven politik gegen asylsuchende einverstanden erkläre.

und da will ich klar stellen:
erstaufnahmezentren sind natürlich immer nur so gut und akzeptabel, wie sie funktionieren. der umgang mit den menschen ist entscheidend. und – da muss ich leider den skeptikerInnen rechtgeben – natürlcih ist ein erstaufnahmezentrum nicht der ort, den wir menschen, die gerade aus schlimmsten zwangslagen geflüchtet sind, zumuten wollen.

ein absolutes „no go“ ist die „anwesenheitspflicht“: es ist wirklich zynisch, menschen, die aus zwangslagen unterschiedlichster art zu uns fliehen müssen, mit zwangsanhaltung „begrüssen“ zu wollen. menschenverachtend!

aber nachdem hinter der heftigen ablehnung von solchen erstaufnahmezentren oft auch rassismus und fremdenhass versteckt, halte ich es für wichtig, offen zu deklarieren, dass ein solches zentrum in meiner nähe sein dürfte. so war das auch von dieser gruppe auf facebook gemeint.

ein twitterfollower schrieb mir: „ich will keine asylschubhäfn nebenan ich will, dass die leute nebenan in der wohnung leben können + auch arbeiten dürfen“. ja das will ich auch. ein schubhaftzentrum darf ein solches erstaufnahmezentrum nicht sein.

auch wenn ich nicht realitätsfremd träume, so halte ich bilder, die uns den weg leiten für unverzichtbar:

meine vision eine erstaufnahmezentrums wäre ein willkommenszentrum. ein ort, wo menschen wirklich ankommen können. das würde bedeuten, dass sie sich jetzt entspannen können, weil sie wissen, nicht mehr in ihrer existenz bedroht zu sein. meine vision ist, dass wir dort noch viel offener diesen menschen begegnen, als dies zahlende touristInnen von uns gewohnt sind. diese menschen sind nicht freiwillig bei uns gelandet, echte lebensnot brachte sie zu uns.

meine vision geht weiter – ein solches willkommenszentrum beherbergt selbst nur relativ wenige ankömmlinge in den ersten stunden oder tagen, vermittelt dann aber ähnlich wie ein tourismusbüro wohn- und arbeitsmöglichkeiten. wie von selbst erlernen diese menschen die sprache jener menschen, die ihnen an stelle von hindernissen einfach mitmenschlichkeit bewiesen haben. ihr wissen und ihre eigene kultur wird zur willkommenen bereicherung der hier schon länger lebenden menschen, denn kultur verändert sich ständig.

die form, wie wir sie begrüssen, entscheidet, was aus asylwerbenden und migrantInnen wird. gefahrenpotentiale, die wieder einmal in einem ghetto landen sollen um nur ja so schnell wie möglich wieder zum verschwinden gebracht zu werden oder willkommene mitmenschen, die nie vergessen werden, wer ihnen aus den schlimmsten zeiten des lebens herausgeholfen hat.

menschen sind kein problem. sie werden zu einem gemacht.

tödliche schlamperei und unachtsamkeit

nach der sommerpause blieb für mich immer noch der fall jenes jungen menschen, der von der polizei erschossen wurde ein vorfall, den ich nicht einfach so vergessen konnte. es ist schon unglaublich, wie schnell solche vorfälle in die kollektive vergesslichkeit fallen und dann nur mehr gelegentlich aufblitzen. dabei war der in der öffentlichkeit wahnehmbare umgang der behörden mit diesem fall mehr als bedenklich.

und nun heute die nachricht von einem schubhäftling, der plötzlich stirbt. und es scheint wieder um die vertuschung und schönung von schrecklichen tatsachen zu gehen. den offensichtlichen zusammenhang zwischen dem hungerstreik und dem tod des indischen schubhäftlings ist natürlich für die polizei nicht gegeben.

war wiedereinmal die sicht nicht gegeben, obwohl die beleuchtung ausreichte? werden jetzt wieder beamtInnen tagelang nicht vernehmungsfähig sein? wird man die schrecklichen umstände im schubhaftsgefängnis mit dem vokabular eines hotelprospekts zu beschreiben versuchen?

auch wenn diese beiden fälle auf den ersten blick nichts miteinander zu tun haben, so besteht dennoch eine grausame verbindung: amtliche schlamperei und unachtsamkeit, daran sterben in unserem land menschen. und das muss vertuscht und versteckt werden. denn sonst müsste es konsequenzen geben. da würde es nicht reichen, dass eine ministerin zurücktritt oder ein paar beamtInnen suspendiert werden, es müsste insgesamt mehr achtsamkeit in die amtshandlungen einzug halten und menschenrechte umgesetzt werden.

erst wenn diese auch mitten in der nacht in den schlecht ausgeleuchteten winkeln unseres landes ebenso gelten wie in den letzten räumen hinter gittern, erst dann können wir zufrieden sein. wielange wird das noch dauern?