tödliche schlamperei und unachtsamkeit

nach der sommerpause blieb für mich immer noch der fall jenes jungen menschen, der von der polizei erschossen wurde ein vorfall, den ich nicht einfach so vergessen konnte. es ist schon unglaublich, wie schnell solche vorfälle in die kollektive vergesslichkeit fallen und dann nur mehr gelegentlich aufblitzen. dabei war der in der öffentlichkeit wahnehmbare umgang der behörden mit diesem fall mehr als bedenklich.

und nun heute die nachricht von einem schubhäftling, der plötzlich stirbt. und es scheint wieder um die vertuschung und schönung von schrecklichen tatsachen zu gehen. den offensichtlichen zusammenhang zwischen dem hungerstreik und dem tod des indischen schubhäftlings ist natürlich für die polizei nicht gegeben.

war wiedereinmal die sicht nicht gegeben, obwohl die beleuchtung ausreichte? werden jetzt wieder beamtInnen tagelang nicht vernehmungsfähig sein? wird man die schrecklichen umstände im schubhaftsgefängnis mit dem vokabular eines hotelprospekts zu beschreiben versuchen?

auch wenn diese beiden fälle auf den ersten blick nichts miteinander zu tun haben, so besteht dennoch eine grausame verbindung: amtliche schlamperei und unachtsamkeit, daran sterben in unserem land menschen. und das muss vertuscht und versteckt werden. denn sonst müsste es konsequenzen geben. da würde es nicht reichen, dass eine ministerin zurücktritt oder ein paar beamtInnen suspendiert werden, es müsste insgesamt mehr achtsamkeit in die amtshandlungen einzug halten und menschenrechte umgesetzt werden.

erst wenn diese auch mitten in der nacht in den schlecht ausgeleuchteten winkeln unseres landes ebenso gelten wie in den letzten räumen hinter gittern, erst dann können wir zufrieden sein. wielange wird das noch dauern?

flüchtling oder mensch

blackbei uns läuten immer wieder flüchtlinge an. mal brauchen sie ein paar euro, dann wieder einen tipp oder eine hilfestellung. das geht seit jahren so, mal sind es viele, dann wieder weniger. da scheint es phasen zu geben.

oft ist es auch einfach das gespräch, das kurze berichten über erlebtes, das sie sonst kaum wo loswerden können. da hören wir dann von demütigenden polizeikontrollen, wo sie auf offener strasse die hose runterlassen müssen, oder von der geburt von kindern – eigentlich ein freudiges ereignis, wenn nicht beide eltern flüchtlinge wären. oft können wir nur ein klein wenig helfen, selten wirklich was dauerhaftes bewirken. befreundete rechtsanwälte und menschen in institutionen wissen bereits, dass wir öfter mal anrufen und beraten, was in dem einen oder anderen fall gemacht werden kann.

es sind die „kleinigkeiten“ des alltags, die besonders jenen, die auf die zusage oder ablehnung ihres asylantrages warten, zu schaffen machen: heute eine rechnung über einen krankenhausaufenthalt, ein andermal eine strafe wegen schwarzfahrens im bus usw.

irgendwie bin ich froh, dass diese menschen den weg zu unserem haus finden, offensichtlich unsere adresse auch schon untereinander weitergeben. ich denke, dass wir auf diese weise fast täglich an eine realität in unserem land erinnert werden, die wir sonst nur aus den medien kennen würden. unsere „probleme“ haben gesichter, haben namen und grüssen uns freundlich.

heute war für mich ein besonders rührender moment. einer unserer „besucherInnen“ hatte von meinem sohn letzte woche erfahren, dass ich geburtstag hatte. mit dem nichts, worüber er verfügen kann, hat er es sich dennoch nicht nehmen lassen, mir heute einen aceto balsamico und eine flasche wein als geschenke zu bringen. hübsch eingepackt in geschenkpapier. und mit grüssen von NN.

ich war wirklich zu tränen gerührt, weil ich dem moment spürte, wie dankbar dieser NN. für ein paar kurze worte und ein paar euro sein musste. und immer wieder erzählt er uns, wie unglaublich fad ihm sei, dass arbeit, irgendeine arbeit für ihn das höchste wäre, natürlich auch wegen dem geld, aber auch, um die selbstachtung aufrecht erhalten zu können.

das schlimme: selbst wenn wir oder sonst jemand arbeit hätte, es wäre illegal und ein schritt richtung sichere abschiebung.

und das ist das schlimmste: manche namen, an die wir uns schon so gewöhnt haben, kommen urplötzlich nicht mehr, manchmal erfahren wir es gar nicht, manchmal erst viel später: abgeschoben, weg, draussen.

und das drama beginnt von vorne…