enzensbergers monster: ein schrecklicher genuss

hans magnus enzensberger: sanftes monster brüssel - cover

hans magnus enzensberger bringt in seinem essay „sanftes monster brüssel oder die entmündigung europas“ das bild einer chimäre, um das monster brüssel zu beschreiben. eine ebensolche chimäre ist sein essay: es ist ein mischwesen, dieser text, ein mischtext also.

ein text, den zu lesen ein wahrer genuss ist, da jeder satz, jeder absatz spürbar scharf überlegt und auf hart erarbeitetem wissen über brüssel beruht und dieses engagiert und sprachlich pointiert vermitteln will.

ein text aber auch, der schrecken und grausen hinterlässt, wenn dieses uns immer mehr beherrschende monster nicht nur raum und zeit, sondern im speziellen unserere demokratien frisst, ohne dass wirklich ausreichend viele menschen etwas dagegen hätten, vermutlich weil sie gar nicht realisieren, was abläuft.

da vermag es kaum zu trösten, wenn enzensberger die vermeintliche gewaltlosigkeit des ungetüms beschreibt

„Hier wird nicht an einem neuen Völkergefängnis gebaut, sondern an einer Besserungsanstalt, …“

oder den unvermeidlichen untergang des monsters prophezeit:

„Allen Imperien der Geschichte blühte nur eine begrenzte Halbwertszeit, bis sie an ihrer Überdehnung und an ihren Widersprüchen gescheitert sind.“

doch trösten, beruhigen oder beschwichtigen will enzensberger ohnehin nicht. er will genau das gegenteil. und er macht begreiflich, dass wir es längst nicht mehr mit einzelnen lobbyisten, politikerInnen, beamtInnen oder kommissarInnen zu tun haben, sondern mit einem entfesselten programm, das sich ständig ausweitet und immer mehr macht zentralisiert, als selbstzweck und selbstläufer.

dass im namen eines gemeinsamen europas, das 500 millionen menschen verbinden sollte, unaufhaltsam die verluste sozialisiert werden, während die gewinne privatisiert werden, und quasi in tateinheit die demokratie mittels unscheinbaren dekreten und bestimmungen immer mehr abgeschafft wird, sollte uns aufregen.

genauer hinsehen – das hat enzensberger getan. irgendwie muss das monster gezämt werden, gestoppt werden, einmal spricht enzensberger von einer „diät“, die sich das monster selbst verschreiben sollte. jedenfalls schnell, die lage ist dringend. darüber sind sich robert menasse (der im essay zitiert wird) und hans magnus enzensberger einig.

ps. danke meinem freund peter für diesen lesetipp!

hans magnus enzensberger
sanftes monster brüssel oder die entmündigung europas
edition suhrkamp

Autor: bernhardjenny

kommunikationsgestalter meine unternehmen: jennycolombo.com, conSalis.at blogger, medienkünstler, autor, erwachsenenbildner salzburg - wien

2 Kommentare zu „enzensbergers monster: ein schrecklicher genuss“

  1. Ja, doch, das ist präzise zusammengefasst und pointiert formuliert. Und da passt es ja ins Bild, wenn wir tagtäglich Neuigkeiten erfahren, welche Lobbyisten in Brüssel Einfluss ausüben oder gar als wichtige Funktionsträger eingesetzt werden.
    peter.

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