der strassenstrich der politik

foto: michael thurm (creative commons flickr)

foto: michael thurm (creative commons flickr)

der verrat ist perfekt. bürgerInnen in der gesamten EU wissen seit heute definitiv, dass manche jener, die sie ins europaparlament als abgeordnete wählen, exakt das gegenteil von dem tun, wofür sie gewählt werden. sie vertreten nicht die interessen ihrer wählerInnen, sie vertreten schamlos jene, die bereit sind, sich die gefälligkeiten der abgeordneten zu kaufen. von 100.000 € pro „kunde“ ist da die rede, also edelprostitution.

der politische und lange nachwirkende schaden ist aber viel höher, vermutlich kaum zu beziffern. für mich ergeben sich dringenst folgende fragen:

1. es ist zu befürchten, dass ernst strasser nicht der einzige der über 700 abgeordneten ist, der seine einschlägigen leistungen am politischen strassenstrich anbietet. (von einem spanischen kollegen berichtet ja strasser selbst, dass der „mit dabei“ wäre.) wieviele unserer eu-abgeordneten sind käuflich?

2. es ist zu befürchten, dass ernst strasser nicht erst seit ein paar monaten seine freier im sumpf der lobbyisten sucht. ist strasser erst seit brüssel korrupt, oder war er es schon viel länger? wieviele der von ihm vertretenen erklärungen, politischen interventionen und positionen, sind nicht die seinen, sondern schlicht und einfach erkauft?

3. es ist zu befürchten, dass nicht nur die vordere reihe der abgeordneten korrupt ist, sondern auch das hinterfeld, also justiz und behörden. ist der fall mit dem rücktritt strassers – den er sich ja locker leisten können wird – erledigt, oder finden sich noch irgendwo wirklich unabhängige juristInnen, die das risiko auf sich nehmen, so einen player auch juristisch dingfest zu machen und zur verantwortung zu ziehen?

es müsste eine welle der erschütterung, der reihenweisen rücktritte und verantwortungen geben. es müsste einen glaubhaften neuanfang oder zumindest den versuch dazu geben. ich befürchte, wir werden beschwichtigung, kleinreden und verharmlosung erleben. ein fortgesetzter verrat nicht nur an den wählerInnen, sondern an alljenen, die sich tagtäglich an der basis der politik oft ehrenamtlich engagieren, weil sie an etwas glauben, was die „da oben“ schon längst verkauft haben.

der verrat an der demokratie ist perfekt. wie perfekt und wie lange schon, können wir nur erahnen.

moral? wo bist du?

___________________
bild: michael thurm (flickr creative commons)

video teil 1

video teil 2

Autor: bernhardjenny

kommunikationsgestalter meine unternehmen: jennycolombo.com, conSalis.at blogger, medienkünstler, autor, erwachsenenbildner salzburg - wien

6 Kommentare zu „der strassenstrich der politik“

  1. Mir ist das Video heute wie ein Blitz eingefahren und ich habe mir dieselben Fragen gestellt und dann auch noch die ultimative: Wie viele der EU-Parlamentarier (von anderen reden wir hier gar nicht) sind eigentlich NICHT käuflich? Wir können nur hoffen, dass die BBC Journalisten damit gehörig Staub aufwirbeln in der EU oder sogar ein Erdbeben auslösen und dass das drastische Folgen haben wird!

    Like

  2. Lieber Namensvetter,
    vielen Dank für die offenen Worte. Schön, dass rundherum alles aufsteht. Ich hoffe es hält an und die Leute werden aktiver und tun was.

    Beste Grüße
    Bernhard Lassy
    Präsident – Saubere Hände – Verein zur Bekämpfung von Amtsmissbrauch

    Like

  3. also überraschend war das eigentlich nicht.
    „das image der ÖVP wurde nicht angekratzt“ sagt der Pühringer. das stimmt, es wurde im gegenteil bestätigt!

    Like

  4. Die allgemeine Analyse und die Fragen, die hier gestellt werden, sind zwar alle völlig richtig. Von einem Verrat an der Demokratie zu sprechen ist jedoch ein enormer Fehler. Diese Feststellung oder Conclusio ist nämlich nur möglich, wenn angenommen wird, dass Österreich eine Demokratie ist.

    Auf dem Papier gibt Österreich den Anschein, eine Demokratie zu sein. Eine schöne Fassade in diesem Land der Fassaden, wo nur der Schein zählt und nie die hässliche Wahrheit. Diese Fassaden dienen dazu, einerseits die Mythen zu erhalten, und andererseits die Lügen, die Heuchelei, die Verlogenheit, die Unmoral, die Korruption, den Egoismus, die politische und soziale Barbarei usw. zu kaschieren.

    Österreich ist keine Demokratie. Der Gestank des Faschismus ist allgegenwärtig, in der Gesellschaft wie in der Politik.

    Wer hat schon in diesem Land verstanden, was Demokratie ist? In einem Land, das – wie in „vordemokratischen“ Zeiten – zwei Kasten ausgeliefert ist: dem politischen „Adel“ – mit seiner nicht enden wollenden Vervielfältigung von lokalen Fürsten und Potentaten – und dem Klerus – die Schönborn, Küng, Bünker und wie sie alle heißen, die das Produkt ihrer geistigen Verdauungen als herausragende intellektuelle Leistungen betrachten statt das, was sie eigentlich sind, nämlich übel riechende Winde von Menschen, die vor allem eines verabscheuen und meiden wie der Teufel das Weihwasser: nämlich die Demokratie.

    Es hat sich seit 1918 also nichts geändert, nur die Bezeichnung des politischen Systems. Alles andere ist beim Alten geblieben. Politik und Klerus üben sich in gegenseitige Legitimation und Bekundungen der Lebensberechtigung. Politik und Klerus lassen dieses Land in Dummheit und Verdummung ersticken. Die Kultur in Österreich? Wenn, dann die Kultur der freiwilligen Knechtschaft. Und wenn es eine österreichische Tugend schlechthin gibt dann die Dummheit.

    Nichts in diesem Land erinnert an das Vermächtnis der Aufklärung und der Revolutionen.

    Österreich ist das Land des (Klerikal-)Faschismus mit demokratischem Antlitz. Sicherlich keine Ausnahme in Europa, dafür aber eines der hellsten Fanale des immerwährenden Faschismus.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..